Düsseldorfer Hafenviertel, Montag, 08:57, Farbfilter der Szene: „Deutschlandgrau“. Ich klappe mein Buch zu, den letzten Strohhalm der Prokrastination, bevor ich den Fahrstuhl ins Kravattenkabinett nehmen würde. Dann blicke ich den riesigen Büroturm hinauf und denke mir:

„Ich will da nicht hoch.“

Meine perfekt gebundene, zum Hemd passende Hundeleine aus Stoff zieht mich jedoch, als wäre sie auf magische Weise mit meinem Vorgesetzten verbunden, Richtung Aufzug. Ein ganz normaler Arbeitstag.

Montag

Jeder kennt dieses miese, trübe „Montagmorgen-Gefühl“. Ich sehe doch die Posts am Montagmorgen:

  • Grumpy Cat mit der Aussage: „Natürlich ist Montag. Sieht das aus wie mein Freitagsgesicht?“
  • Ein weinendes Baby mit der Überschrift: „Es ist wieder Montag“
  • Ein schlafender Hund mit der Überschrift: „Me on mondays.“

„5 > 2“ ist für mich zu einem Symbol geworden für einen schlechten Tausch. Es ist Konvention, 5 Tage Arbeit gegen 2 Tage Wochenende einzutauschen – ein Leben lang. Okay, zumindest während der besten Jahre. Dieser Tausch ist gesellschaftlich akzeptiert, aber offensichtlich schlecht. Deswegen auch das „>“ zwischen den beiden Zahlen. Nicht etwa „5 für 2“ oder „5 und 2“ – nein. 5 IST GRÖSSER ALS 2, 5 Tage Arbeit gegen 2 Tage Wochenende eintauschen ist ein irrsinniger Tausch. Nicht fair. Es liegt auf der Hand und jeder kann es sehen. Dennoch wird dieses vermeintliche Schicksal schulterzuckend akzeptiert, da es ja den Nachbarn, den Freunden und den Kollegen genau so geht.

Soziale Bestätigung tut gut. Klar. Dennoch gehört dieses flaue Gefühl im Magen dir ganz alleine, dem Nachbarn ganz alleine, den Freunden ganz alleine und den Kollegen ganz alleine.

Verantwortungsgetragene Freiheit

Auf meinem Weg vom Schüler zum Studenten zum Unternehmer ist der Grad an Selbstbestimmung und Freiheit von Stufe zu Stufe gewachsen. Als Schüler hat man einen klaren Stundenplan mit vorgegebenen Hausaufgaben für den nächsten Tag. Wenn man eine Klassenarbeit nicht mitschreiben will, kann man sie nicht einfach auf das nächste Semester verschieben.

Das Studium bietet da schon weitaus mehr Beinfreiheit für die persönliche Entwicklung: Den Stundenplan kann man sich selbst zusammensetzen, oft sind Veranstaltungen ohne Anwesenheitspflicht und die Gesamtdauer des Studiums legt man selbst fest. Als Student muss man allerdings dennoch eine ganze Reihe an Formalia in Form von Prüfungen korrekt ausfüllen, um am Ende das heiß ersehnte Dokument zu bekommen, das einem bestätigt, dass man…eine ganze von Formalia korrekt ausgefüllt hat. Macht Sinn.

Als Unternehmer ist die Welt dann quasi ein riesiger Spielplatz: Ausprobieren, auf die Nase fallen, aufstehen, dann richtig auf die Nase fallen und weinend nach Hause laufen. Am nächsten Tag dennoch wieder hingehen, eigene Spielregeln aufstellen, ein wenig im Matsch wühlen und Spaß haben.

Mit jeder Stufe steigt die persönliche Freiheit. Je größer diese persönliche Freiheit geworden ist, desto seltener hatte ich persönlich dieses flaue Montagmorgen-Gefühl. Mit jeder Stufe von Schüler zu Student zu Unternehmer steigen allerdings auch Verantwortung und Unsicherheit, was nicht für jeden etwas ist. Wer im Studium oder danach als Selbstständiger seine neue Freiheit nur mit Party, Alkohol und Serien-Binge-Watching auffüllt, läuft Gefahr, diese Freiheit wieder zu verlieren. Das Geld wird knapp und man muss nebenbei (noch mehr) jobben, was einem Tausch von Freiheit gegen Geld entspricht. Oder man verliert schließlich jegliche Aussicht auf akademischen oder unternehmerischen Erfolg, weil zu wenig tatsächliche Arbeit investiert wurde.

Niemals würde ich allerdings diese absolute Selbstbestimmung, meine verantwortungsgetragene Freiheit – ich bin jeden Tag seeeehr, sehr dankbar dafür – gegen das luftabschnürende 5-2-Korsett tauschen. Aber das ist nur meine persönliche Einstellung. Denn…

…es muss eine Wahl geben

Es muss eine Wahl geben zwischen – und ich bitte meine offensichtliche Parteilichkeit an dieser Stelle zu entschuldigen – dem 5-2-Strukturkorsett und verantwortungsgetragener Freiheit. Als Selbstständiger kann man sich zwar ein besseres Verhältnis erarbeiten (2 gegen 5? 1 gegen 6?) als einen Tausch von 5 gegen 2, aber man muss auch gut mit Rückschlägen, Enttäuschungen, Überraschungen, Unsicherheit etc. umgehen können. Dafür ist nicht jeder gemacht. Die stabilisierende Sicherheit des Korsetts ist für manche – die große Mehrheit – genau das Richtige, während andere, eine ambitionierte und risikofreudige Minderheit, darin nicht atmen können.

Problematisch ist nun, dass 5-2 gesellschaftlich als Standard verkauft wird. Den meisten Schülern ist gar nicht bewusst, dass man sich ganz alleine dafür entscheiden darf, selbstständig Geld zu verdienen. Sofort. So viel man möchte. Wie auch immer man möchte. Der gesellschaftlich definierte Kern von Leistung für Schüler und Studierende sind lediglich gute Noten. Mit guten Noten kann man dann studieren. Dort leistet man dann wieder, erreicht wieder gute Noten und kann dann für andere arbeiten. 5-2-Drone fertig gebaut. Bravo. Eine viel fruchtbarere Definition von Leistung wäre: „Das Lösen gesellschaftlicher Probleme“. Denn darum geht es einzig und allein, wenn schließlich keiner mehr da ist, der einem Noten gibt.

Es ist unendlich unfair, wenn den zwei bis drei Schülern in einer Klasse, in denen Unternehmerblut fließt, nicht einmal die Option aufgezeigt wird, dass man auch Unternehmer werden kann. Aber auch nach der Schule drängen sozialer Druck und wohlgemeinte elterliche Ratschläge zumeist in Richtung des 5-2-Weges. Der wenig beschrittene, steinige, holprige, spaßige, aufregende zweite Pfad, der, der verantwortungsgetragenen Freiheit, muss jedem zumindest einmal gezeigt werden. Er darf nicht aus Ignoranz oder Unsicherheit verschwiegen werden.

Das Marketing des 5-2-Korsetts ist quasi unlauterer Wettbewerb. Jeder soll die faire Chance bekommen, sich bewusst für seinen Weg zu entscheiden.

Die meisten Menschen sind vermutlich in dem 5-2-System gut aufgehoben und profitieren von der vorgegebenen Struktur. Es gibt allerdings diese paar Menschen, die in diesem System zerrieben werden, nicht atmen können und die ihr riesiges Potential dort nicht entfalten können. Sie hätten da nie herein geraten sollen, aber das 5-2-Marketing hat das seinige getan. Es ist nun aus zwei Gründen die Pflicht, dieser Menschen, dieses System zu verlassen:

  1. Jeder ist für sein persönliches Glück selbst verantwortlich. Es ist nicht die Pflicht des Arbeitgebers, jeden seiner Arbeitnehmer glücklich zu machen, aber es ist auch nicht die Pflicht jedes Arbeitnehmers, für jemand anderen zu arbeiten, wenn einen die Arbeit unglücklich macht.
  2. „Aus großer Macht folgt große Verantwortung.“ (Ben Parker, Spidermans Onkel). Der Film war Banane und vorhersehbar, der Spruch aber zeitlos und deep. Wer großes Potential zur Lösung gesellschaftlicher Probleme hat, sollte dieses auch entfalten – das ist nur fair.

Der Weg zur verantwortungsgetragenen Freiheit kann durchaus über das 5-2-System führen. Finanziell absichern und Erfahrung sammeln, um später dann endlich den befreienden Schritt zu tun. Die Gefahr am Korsett ist aber, dass man sich daran gewöhnt. Es zwickt und juckt, aber nicht genug, um schließlich den großen Schritt zu tun.

Wie diese Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, ist man als Arbeitnehmer in Deutschland nämlich irgendwie schon zufrieden, aber als Selbstständiger wird es mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit richtig awesome. Siehe hier:

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Wie denkst du über den 5-2-Tausch?

 

LG

 

M